Keynote-Rede

Bern, 06.07.2015 - Bundesrätin Doris Leuthard, Singapore-ETH Centre, 6. Juli 2015

Sehr geehrter Herr Direktor,

sehr geehrter Herr Direktor a. D.,

sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrter Herr Exekutivdirektor,

meine Damen und Herren

Es ist mir eine besondere Freude, im CREATE Tower, wo das Singapore-ETH Centre beherbergt ist, zu Ihnen zu sprechen. Denn es gibt wohl keinen Ort, der die ausgezeichneten Beziehungen zwischen der Schweiz und Singapur im Bereich Wissenschaft, Innovation, Bildung und Technologie besser illustrieren würde:

  • In diesen Räumen arbeiten wissenschaftliche Teams unserer beiden Länder Hand in Hand zusammen.
  • Sie pflegen damit die Forschung - einen zentralen Pfeiler unserer Länder - und stärken so die Forschungsplätze Schweiz und Singapur.
  • Sie engagieren sich in ihren Forschungsprojekten für die Nachhaltigkeit, wie wir soeben beim Einblick in das Forschungsprogramm „Future Cities Laboratory" gesehen haben. Die Nachhaltigkeit ist ein Wert, der in der Schweiz und Singapur gleichermassen von hoher Bedeutung ist, wie ich aus unserer guten bilateralen Zusammenarbeit für den Klimaschutz weiss.

Kurz: In diesem Haus wird nicht nur über die technische Vernetzung geforscht, sondern sie wird auch konkret gelebt - grenzüberschreitend, von Mensch zu Mensch.

Damit sind wir mitten im Thema dieser Veranstaltung.

Die Schweiz ist ein vernetztes Land mit vier Landessprachen, verschiedenen Kulturen, gelebter Demokratie, kurzen Wegen zwischen Politik, Wirtschaft und Bürgern. Die nächste Etappe ist die digitale Vernetzung.

Vernetzung ist das Zauberwort unserer Tage. Alles wird mit allem vernetzt: das Smartphone mit dem Auto, mit dem Haus oder mit dem Kühlschrank, die Maschine mit der Maschine, die eine Fabrik mit der anderen. Das Netz ist immer und überall verfügbar. Neu sprechen wir vom Internet der Dinge oder dem Internet für alles.

Singapur ist bei dieser Entwicklung führend: Im weltweiten Ranking „Network Readiness Index" belegt es Platz 1 - herzlichen Glückwunsch! Die Schweiz ist immerhin auf Platz 6. Wir können also noch zulegen. Ich denke da etwa an die Mobilität.

MOBILITÄT

Die Mobilität von Personen und Gütern in der Schweiz nimmt stetig zu. Immer mehr Staustunden verursachen Kosten. Gleichzeitig können wir unsere Verkehrs-Infrastrukturen nicht beliebig ausbauen. Dafür fehlt uns der Platz. Was also tun, um dem Dilemma zu entkommen?

  • Wir verfügen über das dichteste Bahnnetz der Welt. Es ist wesentlich effizienter als der motorisierte Individualverkehr.
  • Wir planen ein Programm zur Engpassbeseitigung.

Doch das allein reicht nicht. Wir müssen die bestehenden Infrastrukturen besser nutzen.

Wir haben die Werkzeuge dafür:

  • Information and Communication Technology (ICT)
  • Intelligent Transport Systems (ITS)

Die rasanten Fortschritte bei diesen Technologien eröffnen neue Perspektiven.

Singapur hat auf dem Gebiet der Verkehrslenkung Pionierarbeit geleistet:

Es gibt

  • seit 40 Jahren eine Strassen-Maut (genannt Electronic Road Pricing).
  • ein multimodales Ticket für alle öV-Verkehrsträger.
  • Softwareprogramme für Smartphones zur Optimierung der persönlichen Verkehrsrouten.

Zudem sind die öV-Tarife zeitlich gestaffelt. Und die Zulassung „grünerer" Autos, inkl. neu Elektrofahrzeuge, wird seit 2001 begünstigt (das System wurde 2013 noch verstärkt).

Diese Erfahrungen können gewiss nicht 1:1 auf andere Länder übertragen werden, mögen aber hilfreich sein im Umgang mit der zukünftigen Mobilität.

Auch die Schweiz prüft die Einführung eines Mobility Pricing-Systems - angepasst auf unsere geographischen und politischen Verhältnisse und sozial ausgestaltet. Es zielt darauf ab, dass die Infrastrukturen von Strasse und öV gleichmässiger benutzt werden - also nicht nur in den Spitzenzeiten am Morgen und am Abend. Singapur beweist unter dem Titel „Smart Travel", dass ein Anreizsystem erfolgreich sein kann. Deshalb wünschen wir uns den Austausch mit Ihnen.

Immer mehr zum globalen Thema wird zudem Smart Drive. Dass man nicht mehr mit den Händen am Steuer ein Auto lenken muss, ist technisch möglich. Noch fehlen aber die Erfahrungen aus der realen Welt. Es müssen Fragen der Sicherheit, der Haftung und der Verkehrsregeln geklärt werden.

Auch hier leistet Singapur Pionierarbeit:

  • Mit dem Projekt "Smart and Connected JLD Pilots and Trials initiative" führen staatliche Behörden seit 2013 in einzelnen Stadtteilen Versuche zum autonomen Fahren durch. Dabei können Private per Internet fahrerlose Taxis buchen. Dieses Tests sollen ab Herbst dieses Jahres auf öffentliche Strassen ausgeweitet werden.

Auch Private arbeiten daran, dass Singapur dereinst zur ersten smart city der Welt werden könnte:

  • Projekt „SMART Autonomous vehicle" der Singapore-MIT Alliance for Research and Technology und der National University of Singapore: Zielt darauf ab, „mobility on demand" zu fördern, um so die Zahl der Fahrzeuge zu reduzieren.
  • Im Cleantech eco-industrial park und auf dem Campus der Nanyang Technology University wird der fahrerlose Bus Navia getestet.

ENERGIE

Ein anderer Bereich mit enormem Potenzial durch die Vernetzung ist der Energiesektor. ICT-unterstützte Lösungen für smart grids, smart buildings, smart logistics können die Energieeffizienz deutlich steigern. Beispiel Gebäude: In Singapur müssen sie rund ums Jahr gekühlt werden, was mehr Energie beansprucht als das Beheizen von Gebäuden, wie es in der Schweiz während einiger Monate nötig ist.

Grüne Technologien wiederum spielen eine Schlüsselrolle bei der Verringerung von Treibhausgasemissionen. Eine intelligente Energiepolitik ist somit auch ein grosser Beitrag an eine wirksame Klimapolitik. 

Singapur und die Schweiz wissen um dieses Potenzial: In beiden Ländern laufen Pilotprojekte zur Energieeffizienz. Ich freue mich auf die anschliessenden Ausführungen von Mr. Tan zu dieser Thematik.

DATEN-HUB

In der Vernetzung liegen darüber hinaus auch wirtschaftliche Chancen für unsere beiden Länder. Daten sind das Gold der Zukunft. Zumal sich die Datenmenge derzeit alle 12 bis 15 Monate verdoppelt. Was Singapur für Asien heute schon ist, könnte die Schweiz für Europa dereinst werden: Ein Daten-Hub.

Die Voraussetzungen dafür sind hervorragend. Wie Singapur ist die Schweiz ein Land

  • mit einer offenen Wirtschaft
  • mit hoher Innovationsfähigkeit
  • hervorragender Bildung und Forschung
  • politischer Stabilität
  • und gut ausgebildeten Fachkräften.

Nicht zu vergessen ist dabei indes das Bedürfnis nach Privatsphäre und einem gewissen Schutz der digitalen Daten.

Bei der Vernetzung kann vorübergehend der Staat eine Rolle spielen. So geschehen bei swissnex Singapore, der Co-Organisatorin dieser Veranstaltung. Swissnex hat sich in den letzten elf Jahren als Plattform der Botschaft erfolgreich für die Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft, Bildung und Innovation eingesetzt und war die Anlaufstelle für viele Institutionen, Personen und Firmen dieser Bereiche. So hat swissnex auch die ETH unterstützt, als sie ihre Fühler nach Singapur ausstreckte. Ebenso unterstützte swissnex die HSG, als sie ein Institut in Singapur gründete. Ich habe swissnex Singapur bei meinem ersten Besuch in Ihrem Land 2006 besucht - damals als Wirtschaftsministerin.

Nun, wo die Vernetzung Realität ist, kann swissnex seine Tore schliessen - ihre Mission als Türöffner ist erfüllt. Ein Science and Technology Office in der Schweizer Botschaft wird in Zukunft für die Kontinuität der Beziehungen besorgt sein.

An dieser Stelle möchte ich der CEO von swissnex, Frau Suzanne Hraba-Renevey, für ihre Arbeit und ihr leidenschaftliches Engagement als CEO von swissnex danken.

Meine Damen und Herren

Die Zukunft ist smart - die Zukunft gehört der Vernetzung.

Gerade Länder wie die Schweiz und Singapur mit einer überschaubaren Grösse und wenig Rohstoffen tun gut daran, weiterhin in brain und bytes zu investieren.

Ich bin überzeugt: Mit diesen Investitionen werden sich neue Türen zu einer postmodernen Welt erschliessen - zum Wohle der Wirtschaft, der Menschen, der Nachhaltigkeit.

Tauschen wir uns deshalb aus! Lernen wir voneinander! Die Menschen in diesem Haus beweisen: Zusammen entstehen die kreativen, die besseren Lösungen.

Leben wir deshalb die Vernetzung - über die Grenzen hinweg, von Mensch zu Mensch!

Vielen Dank.


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