OLMA 2017

Bern, 12.10.2017 - Eröffnungsrede von Bundespräsidentin Doris Leuthard, 12. Oktober 2017

(es gilt das gesprochene Wort)

75 Jahre - und immer noch frisch und munter wie am ersten Tag!

Sehr geehrter Herr Präsident

Sehr geehrter Herr Direktor

Sehr geehrte Damen und Herren aus Politik und Wirtschaft

Liebe Bäuerinnen und Bauern, liebe Gäste

Volle Hallen, Begeisterung beim Säulirennen und beim Abendschoppen ein Stimmengewirr, als ob tausend Rapper auf einmal loslegten: Ich bin überzeugt, auch die 75. OLMA wird wieder ein Erfolg! Es freut mich sehr, Ihnen zum Jubiläum die Grüsse und Gratulationen des Bundesrats überbringen zu dürfen.

Die OLMA steht für die Vielfalt der Landwirtschaft. Sie setzt gesellschaftlich, kulturell und politisch wichtige Akzente – und sie stärkt die Verbindung zwischen Stadt und Land. Da man Traditionen pflegen soll, ist mit dem Thurgau heuer jener Kanton wieder dabei, der schon der erste Gastkanton der OLMA war (1950).

Jubiläen sind eine gute Gelegenheit, Rückschau zu halten. Das lohnt sich auch für die OLMA. Nicht um die Vergangenheit zu verklären, sondern um zu verstehen, wie sich die Landwirtschaft und mit ihr unsere Gesellschaft verändert haben – und was das für uns heute bedeutet.

Schon vor der ersten OLMA wurden hier in St.Gallen Messen organisiert. Doch erst die in den entbehrungsreichen Jahren des Zweiten Weltkriegs 1943 erstmals organisierte OLMA stiess auf breiten Zuspruch. Die vom späteren Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen angeregte Anbauschlacht war in vollem Gang. «Mehr anbauen – oder hungern?», lautete eine vieldiskutierte Frage. Die Förderung der Schweizer Lebensmittelproduktion lief auf Hochtouren und die Landwirtschaft genoss grosse Anerkennung – auch dank der vielen Frauen und Familien, die in diese Arbeiten eingebunden waren! Völlige Selbstversorgung war aber schon damals nicht möglich. Die Schweiz hat die Situation dank gesteigerter Produktion, kluger Vorratshaltung, Rationierung und Importen gut gemeistert. Nach dem Krieg, als die Produktion dank Motorisierung und Mechanisierung stark ausgeweitet wurde, rückte das Thema Versorgungssicherheit in den Hintergrund.

Heute stellen wir fest, dass das Thema wieder an Aktualität gewonnen hat, wie der kürzlich gutgeheissene Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit zeigt. Ich sehe das klare Ja des Stimmvolks als Vertrauensbeweis für die Bäuerinnen und Bauern und für all jene, die sich in der Schweiz für die Produktion von Nahrungsmitteln engagieren. Es ist aber auch als Verpflichtung zu werten, uns der anstehenden Herausforderungen zu stellen: Die Bevölkerung wächst, der landwirtschaftliche Boden ist knapp und der Klimawandel verändert die Produktionsbedingungen. Dazu kommen die steigenden Ansprüche der Gesellschaft. 

Es gibt also einiges zu tun:

1.   Wir müssen unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten. Wir müssen bei der Belastung der Umwelt masshalten: Boden, Wasser und Nährstoffe stehen uns nicht uneingeschränkt zur Verfügung. Die Vielfalt an Tieren, Pflanzen und Organismen und ihr Zusammenspiel sind unter Druck. Der kürzlich vom Bund publizierte Bericht «Biodiversität in der Schweiz» belegt dies: Fast die Hälfte der untersuchten Lebensräume und mehr als ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten sind in unserem Land bedroht. Zersiedelung und Zerstückelung, aber auch intensive Landwirtschaft, fordern ihren Tribut. Mit dem Aktionsplan Biodiversität hat der Bundesrat den künftigen Weg aufgezeigt und Geld für die Umsetzung gesprochen. Nehmen wir diese gemeinsam an die Hand.

2.   Wir müssen dem Verlust von Kulturland entgegenwirken. Dazu eine Zahl: Zwischen 1979 und 2009 sind bei uns rund 85 000 Hektaren Landwirtschaftsfläche verloren gegangen. Damit der Kulturlandverlust auf unter 1 000 Hektaren pro Jahr gesenkt werden kann, sind grosse Anstrengungen nötig. Kulturland ist zur Nahrungsmittelproduktion und Erbringung von Ökosystemleistungen durch die Landwirtschaft zentral. Die Bevölkerung hat eine hohe Sensibilität für das Thema, wie Initiativen auf kantonaler und eidgenössischer Ebene zeigen. Natürlich ist es einfacher, immer mehr Land einzuzonen, und manche Bauernbetriebe sehen einen Reiz darin, ihr Land für gute Preise verkaufen zu können. Auf Dauer geht für unsere kleine Schweiz diese Rechnung aber nicht auf. Daher hält der Bundesrat eine weitere Reform der Raumplanung für angezeigt (RPG II).

3.   Wir müssen unser Augenmerk ausserdem der wirtschaftlichen Situation schenken. Mit der Einführung der Direktzahlungen in den 1990er Jahren wurde unsere Agrarpolitik auf eine neue Grundlage gestellt. Preis- und Absatzgarantien wurden aufgehoben, die Milchkontingentierung in der Folge ebenfalls. Die Schweizer Landwirtschaft hat sich gut angepasst. Die Fortschritte sind bemerkenswert!

Die staatliche Unterstützung macht aber nach wie vor viel aus, viele Bauernbetriebe sind zu stark abhängig vom Bund – und die internationale Wettbewerbsfähigkeit bleibt nicht zuletzt aufgrund des heutigen Grenzschutzsystems beschränkt. Dieses führt zwar zu stabilen und hohen inländischen Produzentenpreisen, aber auch zu Ineffizienzen und Fehlanreizen in der Wertschöpfungskette, die zulasten der Konsumentinnen und Konsumenten und der Steuerzahler gehen.

Vor diesem Hintergrund hält es der Bundesrat für sinnvoll…

  • die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft zu optimieren – sowohl auf dem Binnenmarkt als auch auf den ausländischen Märkten,
  • ein besseres Management der natürlichen Ressourcen zu gewährleisten und die unternehmerische Entwicklung der Bauernbetriebe zu begünstigen,
  • sich Gedanken zu machen zu den Chancen offenerer Agrarmärkte.

Der Bundesrat wird sich in den kommenden Wochen mit der Weiterentwicklung der Agrarpolitik beschäftigen und im Rahmen einer Gesamtschau sein Konzept für die Agrarpolitik ab 2022 vorlegen.

Meine Damen und Herren

Die Schweizer Bevölkerung ist den Bauernfamilien, ihrer Arbeit und ihren Produkten sehr verbunden. Viele suchen regelmässig ein Hoflädeli auf, gehen auf den Markt und achten im Supermarkt darauf, Schweizer Milch und Käse, einheimische Kartoffeln und Äpfel sowie Fleisch von Schweizer Tieren zu kaufen. Weil wir die Gewissheit haben, dass diese Nahrungsmittel qualitativ hochstehend sind und tier- und umweltgerecht produziert werden. Die Schweizer Landwirtschaft ist moderner und produktiver geworden. Sie erfüllt ihren Verfassungsauftrag sehr gut. Dafür möchte ich Ihnen allen herzlich danken!

Ich bin mir bewusst: Ihr Alltag hat mit den idyllischen Bildern aus den Werbespots wenig zu tun, sondern ist mit viel Arbeit verbunden. Man sollte Fachwissen haben über Tiere, Pflanzen, Böden, Ernährung und Hygiene und gleichzeitig muss das Finanzielle professionell sein. Das ist anspruchsvoll. Denn der finanzielle Druck ist in den letzten Jahren nicht kleiner geworden, die Arbeit wird zudem von nicht beeinflussbaren Faktoren wie dem Wetter geprägt.

Dazu kommt eine allgemeine Verunsicherung, auch Sie spüren, wie sich das internationale Umfeld verändert. Wir leben weder politisch noch wirtschaftlich auf einer Insel. Wir sind eng verflochten mit der Welt. Da wir mit Europa besonders eng verbunden sind, haben beide Seiten Interesse an stabilen, verlässlichen Beziehungen. Wir teilen gemeinsame Werte und gesellschaftliche Errungenschaften. Das ist nicht selbstverständlich in einer Welt, in der Länder mit völlig anderen Vorstellungen an Einfluss gewinnen. Der Bundesrat ist darum überzeugt, dass es richtig ist, den bilateralen Weg mit der EU zu festigen und weiterzuentwickeln. Beim Käse hat der mit den Bilateralen I erleichterte Handel dazu geführt, dass Qualität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit gefördert und so insgesamt gestärkt wurden. Und der Milchpreis für Käse ist erst noch besser. Das sollte uns zu denken geben.

Mit Offenheit und Kooperation, mit der Verknüpfung unserer traditionellen Werte und dem technischen Fortschritt, sind wir gut gefahren. Das hat uns Wohlstand gebracht. Setzen wir darum auch in Zukunft darauf, um unser Land gut zu positionieren. So anspruchsvoll die anstehenden Herausforderungen sind: Die Schweiz ist dafür gut gerüstet. Dank unserer direkten Demokratie, die der Bevölkerung grosse Mitsprache sichert, dank unseren guten Infrastrukturen, unserem Bildungssystem und gesunden Strukturen und Institutionen.

OLMA-Direktor Nicolo Paganini hat in seinem Grusswort geschrieben: «Tradition heisst: Das Feuer hüten und nicht die Asche bewahren.» Dieses Bild gefällt mir: Die Schweiz und mit ihr die Landwirtschaft haben immer wieder Reformen verwirklicht, um weiterzukommen. Tradition und Fortschritt schliessen sich nicht aus, sondern befruchten sich gegenseitig!

Es hat mich denn auch gefreut, dass viele Bauern z.B. die Chancen erkannt haben, die sich mit der Energiestrategie 2050 ergeben, und mit ihren Solarpanels und Biomasse-Produktionsanlagen tatkräftig mithelfen, sie umzusetzen.

Wie Sie habe ich auch manchmal Fragen und Skepsis, wenn ich heute von «digital farming» höre. Aber es ist besser, wenn wir uns gut informieren und Chancen nutzen. Roboter und Drohnen sind in der Landwirtschaft zwar noch gewöhnungsbedürftig, können die Stall- und Feldarbeit aber stark erleichtern. Ich bin daher überzeugt, dass die Schweizer Bäuerinnen und Bauern auch die mit der Digitalisierung verbundenen Chancen packen werden!

Meine Damen und Herren

Freuen wir uns nun auf die OLMA. Freuen wir uns auf vielfältige Begegnungen und gute Unterhaltung. Lassen wir die Arbeit für ein paar Stunden ruhen.

Die Jubiläums-OLMA setzt dabei spezielle Akzente:

  • Wer eine Zeitreise durch die Geschichte der OLMA machen will, kann kurzerhand zur Flasche greifen: Auf den Etiketten des Jubiläumsbiers sind alle Plakate abgebildet. Sie können Ihre Erinnerungen also Schluck für Schluck aufleben lassen!
  • Persönlich bin ich gespannt auf das Bundesrats-Memory-Spiel, wo es darum geht, Bilder der Bundesräte auf dem Messerundgang – unter anderem mit Säuli im Arm! – richtig aufzudecken.

Ich wünsche Ihnen nun eine schöne OLMA, einen kräftigen Schluck – und der rüstigen Jubilarin alles Gute und auch für die nächsten Jahre viel Erfolg!


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