Eine Frage des Gleichgewichts

Davos, 21.01.2020 - Ansprache von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zur Eröffnung des 50. Jahrestreffens des World Economic Forums in Davos

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Professor Schwab

Exzellenzen

Meine Damen und Herren

„The world is on fire“ – dass dieser Satz des Generalsekretärs der Vereinten Nationen wahr ist, wird offensichtlich, wenn wir die Bilder der brennenden Wälder im Amazonas-Gebiet oder von den Buschfeuern in Australien sehen.

Die Folgen für Mensch und Natur sind verheerend.

Weit weniger offensichtlich ist, was es bedeutet, wenn das ökologische Gleichgewicht gestört ist.

Was bedeutet das ganz konkret für uns Menschen und für unsern Planeten?

Ich möchte zuerst jenen eine Stimme geben, die es für uns sichtbar machen können. Die uns in nur 2 Minuten aufzeigen können, was es bedeutet, wenn Tier- und Pflanzenarten sterben, und wie verheerend die Auswirkungen sind – für uns alle.

Die Botschaft der Bienen ist klar und unbestreitbar:

Wenn wirtschaftliche Interessen über die Bedürfnisse der Natur gestellt werden, wenn Insekten, Tiere, Pflanzenarten verschwinden - ausgerottet durch Menschenhand, durch Insektizide, Pestizide und Monokulturen - dann sind die Folgen für uns Menschen, aber auch für die Wirtschaft, dramatisch.

Allerdings spüren wir in unserem Alltag die Folgen dieser Entwicklung noch nicht wirklich.

Warum also soll uns das beunruhigen?

Es sollte uns beunruhigen, denn ein Eingriff in die Artenvielfalt ist, wie wenn wir täglich vom Eiffelturm eine Schraube herausdrehen würden: Zuerst passiert lange nichts, aber irgendwann gelangen wir an einen Punkt, wo wir eine weitere – entscheidende - Schraube herausdrehen, und der ganze Turm bricht in sich zusammen.

So ist es auch in der Natur: Alles hängt auf eine ausgeklügelte Weise zusammen und bildet ein ausbalanciertes Ganzes.

Wir können nicht einfach weiter unbeteiligt danebenstehen und zuschauen. Der Schutz der Artenvielfalt und der Klimaschutz sind nicht einfach nur Steckenpferde von ein paar Idealisten. Sie müssen zu Aufgaben der Politik und der Wirtschaft werden.

Wir brauchen Unternehmen, die sich der Artenvielfalt und des Klimaschutzes annehmen.

Wir brauchen Politikerinnen und Politiker, die sich im eigenen Land und auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass die Natur zu ihrem Gleichgewicht zurückfindet und dass die Klimaerwärmung gestoppt wird.

Meine Damen und Herren

Nicht nur die Natur braucht ihr Gleichgewicht, auch in der internationalen Politik ist Gleichgewicht ein grundlegender Faktor.

Heute blicke ich mit Besorgnis auf den Zustand unserer Welt.

In einigen Weltgegenden werden, um politische Ziele zu erreichen, einmal mehr Emotionen geschürt: Intoleranz, Hass, Vorurteile, Rachegefühle.

Vergessen wir nicht, was die Natur uns lehrt: Jede Übertreibung in die eine Richtung kann dazu führen, dass das Pendel in die entgegengesetzte Richtung ausschlägt.

Ungerechtigkeit kann den Nährboden bereiten für Gegenbewegung.

In der internationalen Politik so gut wie im Umgang mit unserer Umwelt sind die Suche nach dem guten Gleichgewicht, faktenbasierte Rationalität und Konsensbildung von allergrösster Wichtigkeit.

Wir alle sind heute hier nach Davos gekommen, um auf dieses Ziel hinzuarbeiten: das gute Gleichgewicht für unsere gemeinsame Zukunft zu finden. (Das ist es vermutlich, was die Bienen, die Sie im Film soeben gesehen haben, uns sagen wollen.)

Wenn die Welt in Flammen steht, können wir die Arbeit nicht einfach nur den Feuerwehrleuten überlassen. Die Politik und die Gesellschaft als Ganze müssen handeln.

Nutzen wir also unsere gemeinsame Zeit hier in Davos,

um im gegenseitigen Austausch unsere Standpunkte darzulegen –

und um gemeinsam dieses Gleichgewicht zu finden, das uns allen als Bewohnern dieses Planeten zum Vorteil gereicht.


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