Stadtwerkekongress 2022

Bern, 01.04.2022 - Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Aarau

(Es gilt das gesprochene Wort)

Geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der Stadtwerke
Sehr geehrter Stadtpräsident
Sehr geehrter Gemeindepräsident
Sehr geehrter Herr Nationalrat

Wir erleben bewegte Wochen und Monate. Kaum haben wir punkto Pandemie das Gröbste hinter uns (hoffentlich wenigstens), da stehen schon die Vorboten von nächsten Krisen vor der Tür.

Bei der Pandemie und der Energieversorgung gibt es eine grosse Gemeinsamkeit: Kaum jemand hat sich eine so lange andauernde Pandemie vorstellen können, geschweige denn einen derart schrecklichen Krieg in Europa - mit seinen weitreichenden Auswirkungen auf die Energieversorgung, die Wirtschaft oder auch die Weizenproduktion.

Vielleicht, und das wäre gravierender, wollte man das Risiko und die Abhängigkeiten bei der Energieversorgung in seiner ganzen Tragweite auch einfach nicht wahrhaben. Dieses Nicht-Sehen oder Nicht-Sehen-Wollen rächt sich heute.

In Krisen wird dann gerne gesagt: Wir werden die nötigen Lehren ziehen.

Meine Damen und Herren,

Das erwarte ich jetzt auch! Unsere Energieversorgung hat eklatante Schwächen. 

Die Schwerwiegendste ist: Wir sind zu 70 Prozent von fossilen Energien abhängig, und diese müssen wir bis auf den letzten Tropfen und das letzte Gasmolekül aus dem Ausland holen.

Seit ich im UVEK bin sage ich es - und ich werde nicht müde, es zu wiederholen: Unsere massive Ausland-Abhängigkeit bei einem Gut, dessen Verfügbarkeit von allergrösster Bedeutung ist, ist ein Problem. Wir müssen dekarbonisieren und wegkommen von den fossilen Energieträgern.

Einige Marktakteure haben das erkannt, darunter auch swisspower. Der Verband der Stadtwerke arbeitet engagiert und konstruktiv an einer Schweiz, die nicht mehr länger 8 Milliarden Franken pro Jahr für Oel und Gas ins Ausland schicken will.

Wir haben bei den einheimischen Energien die richtigen Akzente gesetzt. Aber wie wir jetzt erkennen müssen: Es geht einfach zu wenig rasch und zu wenig couragiert. Wer jetzt noch im Bummler sitzt, muss auf den Schnellzug umsteigen.

Energiepolitik ist auch Klimapolitik

Indem wir uns unabhängiger machen vom klimaschädlichen Öl und Gas und dafür mehr eigenen Strom aus Wasserkraft, Sonne, Wind, Erd- und Umweltwärme herstellen, stärken wir gleichzeitig unsere Energiesicherheit und machen uns unabhängiger, insbesondere auch von unberechenbaren Ländern wie Russland.

Mit unserer Strategie, auf die einheimischen erneuerbaren Energien zu setzen, tun wir auch viel für den Klimaschutz.

Und das ist für Städte und die Stadtentwicklung wichtig. Schliesslich sind dort viele Arbeitsplätze angesiedelt und viele Menschen wohnen in den Städten und Agglomerationen und leiden unter den Folgen von zunehmenden Hitzetagen.

Die Dekarbonisierung ist aber genauso wichtig für die ländlichen Gegenden und Berggebiete, denn es drohen Trockenheit, Überschwemmungen und Murgänge. Die Bevölkerung spürt die Veränderung deutlich, sie merkt, dass Brutvögel und andere Tiere in kühlere Regionen wechseln und Ernteausfälle zunehmen.

Stadtwerke als Triebfeder

Die Stadtwerke sind eine wichtige Triebfeder der Energiewende. In zahlreichen Bereichen sind sie als Vorbild vorangegangen, allem voran der Fernwärme, da haben sie viel investiert.

Dafür danke ich Ihnen.

Vorbild zu sein braucht auch Mut, Mut zu Neuem. Wir sehen heute, dass sich dieser Mut und die Investitionen lohnen. Es braucht aber mehr.

Das Potenzial von thermischen Netzen ist heute höchstens zur Hälfte ausgeschöpft. Der Wille zum Ausbau ist in vielen Gemeinden und Städten da. Es gibt aber komplexe Fragen in der Planung, der Projektierung und auf rechtlicher Ebene. Darum haben das Bundesamt für Energie und der Schweizerische Städteverband ein Projekt initiiert, das einen wichtigen Beitrag zur Beschleunigung des Ausbaus thermischer Netze leistet. Mit einer Charta sollen Bund, Kantone, Städte und Gemeinden motiviert werden, entscheidener auf thermische Netzen zu setzen. Die Finanzierungsfragen sind oft vielschichtig und benötigen viel Zeit.

Darum ist im revidierten CO2-Gesetz auch eine finanzielle Absicherung für Investitionen in den Neubau und den Ausbau thermischer Netze vorgesehen. Darüber hinaus sind mit dem neuen Instrument des Technologiefonds auch Bürgschaften möglich. Das reduziert Risiken und bringt uns vorwärts bei den Fernwärmenetzen. 

Der Bundesrat hat zudem kürzlich zwei Versicherungslösungen für die Stromversorgungssicherheit im Winter vorgeschlagen: Die eine Versicherung ist die Wasserkraftreserve, die schon im kommenden Winter zur Verfügung stehen wird. Die zweite Rückversicherung sind Reserve-Gaskraftwerke. Diese Kraftwerke kommen aber nur dann zum Einsatz, wenn die Energieversorgung oder die Netzstabilität gefährdet ist, im Idealfall ist das nie.

Ein Thema sind auch WKK-Anlagen. Sie eignen sich aber kaum als Versicherungslösung für einen Stromengpass, weil sie im Winter vorab Wärme liefern sollen und nicht nur Strom – wer will schon im Winter in einer kalten Wohnung sitzen! Mein Departement prüft derzeit verschiedene Vorstösse zu WKK. Die Erkenntnisse und allfällige Fördermodelle können dann in die laufenden Beratungen zum neuen Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien einfliessen.

Gleichzeitig werden aber auch Alternativen geprüft. Es gibt spannende Konzepte zur saisonalen Wärmespeicherung von Abwärme und Umweltwärme sowie zur Kombination von Holz- und Solarenergie und Wärmepumpen.

Den Kantonen, den Städten und Gemeinden kommt in der Energieversorgung auch in Zukunft eine zentrale Rolle zu. Denn für den Ausbau der thermischen Netze ist eine sorgfältige, langfristige Energieplanung auf dem Weg zu Netto-Null entscheidend. Sie trägt dazu bei, Fehlinvestitionen zu vermeiden.

Auch hier unterstützen wir Sie: Aus der Teilzweckbindung der CO2-Abgabe sollen neu auch kommunale und regionale Energieplanungen finanziert werden.

Heute verfügen mehr als 80 Prozent der Gemeinden noch über keine räumliche Energieplanung. Und damit fehlt ihnen eine Grundlage, auf der sie die Wärme- und Kälteversorgung zukunftstauglich ausgestalten können mit dem Ziel, regional verfügbare umweltverträgliche Energiequellen auszubauen.

Ein Stichwort möchte ich heute gerne noch aufnehmen, das Stichwort Eigentümerstrategien.

Die Städte können durch die Eigentümerstrategie bei den Stadtwerken wichtige Weichenstellungen vornehmen. Verschiedene sind dabei schon weit. Sie lassen alte Businessmodelle auslaufen und treiben neue, zukunftsträchtige Geschäftsfelder voran. Grenchen ist so ein Beispiel. Und Grenchen sagt sogar: Mit den Erträgen aus den neuen Geschäftsfeldern soll der Rückgang im Gasgeschäft bis 2030 überkompensiert werden. Die zusätzlichen erwarteten Gewinne übersteigen also den prognostizierten Einbruch des Gasgeschäfts.

Ich habe jetzt ein Stadtwerk herausgepickt, aber es gibt andere, die ebenfalls sehr gut unterwegs sind. Diese Beispiele zeigen: Der Umbau ist möglich, und er ist rentabel möglich, die Investitionen heute werden sich morgen und übermorgen rechnen. Wenn Sie, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Stadtwerke ihre politisch Verantwortlichen überzeugen wollen – besuchen Sie mit Ihnen so ein Beispiel.

Meine Damen und Herren

Die Stadtwerke haben ihre Aufgaben in der Vergangenheit mit viel Mut und Positivität angepackt. Sie tun es für nichts Geringeres als die Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Was Sie leisten, ist Service public pur, dafür danke ich Ihnen von Herzen.

Mesdames et Messieurs,

Par le passé, les services industriels ont assumé leur mission avec beaucoup de courage et de positivité. Ils s’engagent précisément pour garantir la sécurité de l’approvisionnement de la population. Ce que vous faites, c’est du service public à l’état pur, et je vous en remercie de tout cœur.


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