«Soirée Médias»

Bern, 06.08.2022 - Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga an einer Veranstaltung des Verlegerverbands Schweizer Medien in Locarno

(es gilt das gesprochene Wort)

Liebe Frau Heimgartner, liebe Frau Nötzli
Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Medienunternehmen
Liebe Filmfreunde, cari cinèfili

Ich bin voller Energie.

Wenn ich die letzten Wochen Zeitungen gelesen habe, muss ich sagen, dass es mit der Meinungsvielfalt nicht gerade weit her ist in unserem Land. Die Wetterprognose ist nämlich überall die gleiche.

Einig scheint man sich auch, dass es mittlerweile in Bern zu und her geht wie im «House of Cards». Ich glaube eher, es ist wie so oft: wir haben etwas «Mais im Bundeshuus».

Damit sind wir beim Film, und damit bin ich in Locarno.

Mi fà proprio piacere essere qui insieme con voi, a Locarno.

Locarno zeigt sich heute einmal mehr von seiner schönsten Seite. Gleichzeitig herrscht in Europa Krieg. Tausende sterben – und noch viel mehr sind auf der Flucht.

Der Krieg in der Ukraine trifft auch die Schweiz.

Im Energiebereich führt er uns unsere Abhängigkeiten drastisch vor Augen. Ich weiss, einige hören es nicht gerne, aber es ist so: Die Schweiz ist heute bei der Energie viel zu sehr vom Import abhängig.

Mehr als 60 Prozent der Schweizer Energieversorgung ist heute fossil – und damit zu 100% importiert. Wenn Russland seine Gas-Lieferungen einstellt oder drastisch reduziert, hat darum auch unser Land ein Problem.

Was viele lange nicht wahrhaben wollten, lässt sich nun endgültig nicht mehr leugnen: Öl und Gas sind klimapolitisch ein Problem. Sie machen uns aber auch versorgungspolitisch abhängig und verletzlich.

Das Fazit ist: Wir müssen in der Schweiz mehr einheimische Energie produzieren, um unabhängiger vom Ausland zu werden. Weiterhin nur auf Öl- und Gas-Importe zu hoffen, kann keine Strategie sein. Und natürlich müssen wir die Energieverschwendung eindämmen. Der Bundesrat hat seine Politik in den letzten Jahren darauf ausgerichtet, die Schweiz so gut wie möglich aufzustellen.

Der Krieg in der Ukraine ist aber nicht nur in der Energiepolitik für Viele ein Weckruf. Er ist es auch aussenpolitisch.

Die Schweiz hat sich in den letzten drei Jahrzehnten aussenpolitisch in viele Richtungen orientiert. Wir haben weit nach Osten geschaut, nach Russland und China, und wir haben engere Verflechtungen mit den USA angestrebt. Das ersehnte Freihandelsabkommen mit den USA ist aber nie zustande gekommen. Dafür haben wir mit China ein Freihandelsabkommen und eine Absichtserklärung zur neuen Seidenstrasse unterzeichnet.

Gegenüber Europa fremdeln wir dagegen seit längerem. Nach dem Nein zum EWR haben wir die Bilateralen I und II unterzeichnet. Zu wirklich mehr hat es seither aber nicht gereicht. Sie alle kennen die schwierige Geschichte des Rahmenabkommens.

Und nun ist in Europa Krieg, und wir fragen uns seit Wochen: Stimmt unser aussenpolitischer Kompass?

Für mich liegt die Antwort auf der Hand. Unser naheliegender Partner ist Europa. Es ist deshalb Zeit für eine Annäherung an Europa. Umfassende Sicherheit finden wir nicht, indem wir nur für unsere Armee mehr Geld ausgeben. Umfassende Sicherheit finden wir in und mit Europa.

Die Globalisierung kommt je länger mehr an ihre Grenzen, auch wenn sie grenzenlos gedacht war. Sie schafft nämlich Abhängigkeiten, sie macht uns verwundbar für macht- und geopolitisch motivierte Manöver. Hier braucht es eine neue Ehrlichkeit. Wertschöpfungsketten über mehrere Kontinente sind eine riskante Wette mit ungewissem Ausgang, vor allem dann, wenn noch autokratisch regierte Staaten involviert sind.

Wir müssen uns darum auch wirtschaftlich wieder stärker nach Europa orientieren. Europa ist unser erster Handelspartner, und es ist unser zuverlässigster Partner.

Europa, das zeigen die letzten Wochen eindrücklich, ist eine Frage von Krieg und Frieden. Auch für uns – für die Schweiz.

Es ist deshalb Zeit für einen neuen Anlauf mit Europa. Einen Anlauf unter neuen Bedingungen.

Europa wird für einige nie eine Herzensangelegenheit sein. Das muss es auch nicht. Es genügt, wenn es eine Vernunftehe wird.

Die Zeit für naive Schwärmereien, für Abenteuer in fernen Ländern, die ist nämlich vorbei. Jetzt braucht es den kühlen Verstand. Und der fordert das Naheliegende: Wir brauchen eine Lösung mit Europa.

Es ist darum richtig, dass der Bundesrat ein neues Paket mit der EU anstrebt.

Nur wenn wir unsere Sicherheit umfassend anschauen, können wir auf die aktuelle Situation die richtige Antwort geben.

Für den nächsten Schritt – den Schritt auf Europa zu – braucht es Mut, Standfestigkeit und eine stabile politische Mehrheit. Dieser nächste Schritt braucht ein ehrliches und verbindliches Engagement von Bundesrat, einer deutlichen Mehrheit der Parteien und der Wirtschaft – und er braucht eine realistische Einschätzung der Optionen, die wir haben, um eine Lösung gemeinsam mit der EU zu finden.

Sie, die Medien, begleiten die politische Meinungsbildung auch in diesem Bereich unabhängig, kritisch und mit der nötigen Distanz. Die Vielfalt an Meinungen, Sichtweisen und Akzenten, für die Sie alle stehen, bringen die Diskussionen in unserem Land weiter.

Ich bin mir bewusst, dass Ihre Branche sinnvolle Rahmenbedingungen benötigt.

Der Bundesrat hat darum vor zwei Jahren eine Vorlage für den Medienplatz Schweiz vorgelegt. Das Parlament hat es dann vermutlich etwas zu gut mit Ihnen gemeint. Aus einer mehrheitsfähigen, austarierten Vorlage wurde ein überdimensioniertes Paket und die Mittel für die Branche wurden mehr als verdoppelt. Die Bevölkerung hat dieses Vorgehen nicht goutiert.

Seit dem Abstimmungssonntag stehen medienpolitisch andere Themen im Vordergrund: An unserer gemeinsamen Plattform haben wir Themen wie die Agenturleistungen oder das Leistungsschutzrecht vertieft. Daneben arbeitet mein Departement an einem Nationalen Aktionsplan für die Sicherheit von Medienschaffenden in der Schweiz. Und wir prüfen intensiv Pisten für die künftige Medienpolitik.

Was für mich klar ist: Je geeinter der Medienplatz Schweiz in Zukunft auftritt, desto stärker ist er. Nur wenn grosse und kleine, privat und öffentlich finanzierte Akteure zusammenarbeiten, kann der Medienplatz gegenüber den grossen Plattformen, den GAFA, bestehen.

Sehr geehrte Damen und Herren

Dass ich heute nach Locarno gekommen bin, hat nicht nur damit zu tun, dass die Kultur – und zwar der Film ebenso wie die Musik – zu meiner persönlichen Grundversorgung gehört.

Ich bin auch hier, um Ihnen für Ihre Arbeit zu danken. Sie ist für unser Land von grossem Wert.

Sono qui anche per ringraziarvi per tutto quello che fate. Il vostro lavoro è fondamentale per il nostro Paese.

Im Namen des Bundesrats überbringe ich Ihnen die besten Wünsche.


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