Gotthard-Strassentunnel: Fragen und Antworten

Welche Argumente haben den Ausschlag gegeben für den Bau einer zweiten Röhre mit anschliessender Sanierung des bestehenden Strassentunnels?

Die Gotthardachse ist die wichtigste alpenquerende Strassenverbindung der Schweiz. Mit der vom Stimmvolk im Februar 2016 beschlossenen Lösung bleibt sie auch während der Sanierung der bestehenden Röhre für den Strassenverkehr zugänglich. Das ist für den Zusammenhalt der Schweiz wichtig. Für den Kanton Tessin ist eine gute Anbindung zum Norden von zentraler Bedeutung.

Mit einer zweiten Röhre steht künftig ein redundantes System zur Verfügung. Der normale Unterhalt kann so ohne Sperrnächte gewährleistet werden, und die nächste, nach jeweils rund 40 Jahren fällige Sanierung kann ohne neuerliches Verkehrsmanagement oder aufwendigen Bahnverlad erfolgen.

Diese Lösung erhöht auch die Sicherheit: Das Risiko von Frontal- und Streifkollisionen nimmt ab, da mit einer zweiten Röhre Gegenverkehr vermieden werden kann. Pannenfahrzeuge können auf den Pannenstreifen abgestellt werden. Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen können rasch und ungehindert zum Unfall gelangen.

Der Bau einer zweiten Tunnelröhre ohne Kapazitätserweiterung ist gemäss Bundesrat rechtlich zulässig. Worauf stützt er sich dabei konkret ab?

Der Bundesrat stützt sich auf das geltende Recht ab: Der Bau einer zweiten Röhre ohne Kapazitätserweiterung ist verfassungskonform. Entscheidend ist, dass nie mehr als zwei Fahrspuren gleichzeitig in Betrieb sind. Auch wenn am Gotthard ein zweiter Strassentunnel zur Verfügung stehen wird, darf nur je eine Fahrspur pro Richtung offen sein. Das wurde im Bundesgesetz über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet (STVG) entsprechend verankert.

Der Alpenschutzartikel bleibt damit gewahrt. Dieser schreibt vor, dass der grenzüberschreitende Schwerverkehr möglichst auf die Schiene verlagert werden muss und dass die Transitstrassen-Kapazität durch die Alpen nicht erhöht werden darf. An diesen Vorgaben wird nicht gerüttelt.

Führt der Bau einer zweiten Röhre faktisch nicht zu einer Kapazitätserweiterung?

Nein. Auch wenn zwei Röhren gebaut sind, steht weiterhin nur eine Fahrspur pro Richtung zur Verfügung. Dieser Grundsatz wurde im Gesetz verankert. Der Alpenschutzartikel bleibt gewahrt.

Der Alpenschutzartikel ist ein zentrales Element der Schweizer Verlagerungspolitik. Gestützt darauf wurden grosse Fortschritte erzielt. Zwischen dem Bau einer zweiten Röhre und dem Erreichen des Verlagerungsziels besteht aber weder rechtlich noch verkehrstechnisch ein Zusammenhang. Die Strassenkapazitäten am Gotthard werden durch die zweite Röhre nicht erhöht. - Um die Güter auf die Schiene zu verlagern, setzt sich der Bundesrat dafür ein, die bisherigen Instrumente fortzuführen. Zudem werden zusätzliche Massnahmen realisiert. Dazu gehören der Bau eines 4-Meter-Korridors auf der Gotthardachse und mehr Terminalkapazitäten südlich der Alpen, um den kombinierten Verkehr über die Alpen weiter zu fördern.

Wird der Bund je eine Fahrspur sperren, sobald zwei Tunnels zur Verfügung stehen?

Ja. Wenn bestenfalls ab 2030 sowohl die neue als auch die sanierte bestehende Röhre verfügbar sind, wird pro Richtung jeweils nur eine Fahrspur in Betrieb sein. Die andere Spur dient als Pannenstreifen und ermöglicht Polizei, Ambulanz und Feuerwehr das rasche Vorwärtskommen bei einem Unfall. Die Spuraufteilung wird deutlich signalisiert und in der Tunnelzentrale in Göschenen überwacht.

Wird das Tropfenzählersystem nach dem Bau einer zweiten Tunnelröhre gelockert?

Nein. Der Bundesrat will das Tropfenzählersystem auch bei zwei Röhren weiterführen, weil das Risiko eines schweren Brandes bleibt. Das Tropfenzählersystem dient der Sicherheit: Es garantiert einen Mindestabstand von 150 Metern zwischen den Lastwagen. Damit wird das Unfallrisiko gesenkt. Im Gegenverkehr wird mit dem Tropfenzähler zudem die Anzahl Lastwagen-Kreuzungen und damit der potenziellen Frontalkollisionen reguliert. Dank dem Tropfenzähler konnte die Anzahl Unfälle im Gotthard in den letzten Jahren markant gesenkt werden.

Die theoretische Lastwagenkapazität beträgt heute pro Tag in beide Richtungen insgesamt gut 5'000 Lastwagen - was pro Jahr rund 1,5 Millionen Lastwagen die Fahrt durch den Gotthard ermöglicht. Daran ändert sich mit dem Bau einer zweiten Röhre nichts. Tatsächlich genutzt wird der Gotthard-Tunnel heute von durchschnittlich 2‘292 Lastwagen pro Tag.

Kann die EU von der Schweiz verlangen, dass dereinst vier statt nur zwei Spuren am Gotthard genutzt werden?

Nein. Die EU kann aufgrund der bilateralen Verträge von der Schweiz nicht verlangen, vier statt zwei Spuren in Betrieb zu nehmen. Das Landverkehrsabkommen enthält zwar den Grundsatz, dass keine einseitigen mengenmässigen Beschränkungen getroffen werden dürfen. Mit der Lösung des Bundesrats bleiben die Kapazitäten jedoch unverändert. Für den Bundesrat kommt eine Erhöhung der Kapazitäten nicht in Frage. Er hat wiederholt klargemacht, dass auch nach der Sanierung des bestehenden Tunnels und dem Bau der zweiten Röhre nie mehr als eine Spur pro Fahrtrichtung in Betrieb sein wird. Sowohl diese Beschränkung als auch das Tropfenzählersystem wurden gesetzlich verankert. Damit wird sichergestellt, dass auch ein temporärer Betrieb von mehr Fahrspuren - zum Beispiel in der Ferienzeit - verboten bleibt.

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