Passare al contenuto principale

Pubblicato il 17 novembre 2025

Medienpolitik: «Die SRG wird sich stark verändern müssen»

Am 8. März 2026 kommt es zur Abstimmung über die SRG-Initiative. Im Interview mit dem Tages-Anzeiger sagt Bundesrat Albert Rösti, warum er seine Meinung zu der Initiative geändert hat – und wie er sich die SRG der Zukunft vorstellt. Der Medienminister zeigt sich besorgt, dass sich immer mehr Menschen nur noch in den sozialen Medien oder gar nicht mehr informieren. Und er sagt, wann diese Entwicklung gefährlich wird für die Demokratie.

Tages-Anzeiger, 17.11.2025

Interview von Raphaela Birrer und Jacqueline Büchi

Herr Rösti, wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig darüber aufgeregt, wie die Medien über Sie berichtet haben?

Ich rege mich eigentlich selten richtig auf. Wobei, doch: Kürzlich stand in Ihrer Zeitung sinngemäss, ich solle doch mal für mein Land arbeiten und nicht nur für meine Partei. Der Beitrag war ein Kommentar, aber ich fand das schon dicke Post. Ich setze mich jeden Tag von früh bis spät mit viel Motivation für die Schweiz ein.

Neben dem Ärger: Wie machen die Medien in der Schweiz grundsätzlich ihren Job?

Ich habe Respekt vor der Aufgabe der Medienschaffenden. Sie müssen in einem ungeheuren Tempo News produzieren. Der Konkurrenzdruck ist hoch. Unter diesem Druck werden viele gute Artikel produziert. Als Departementsvorsteher mit vielen technischen Dossiers fallen mir aber oft auch Fehler und Ungenauigkeiten auf.

Fast die Hälfte der Menschen in der Schweiz konsumiert laut einer Erhebung keine Nachrichten mehr. Muss uns das beunruhigen?

Ja, denn Medienkonsum ist zentral für die Meinungsbildung – und damit ein Fundament unserer direkten Demokratie. Es beschäftigt mich, dass der Altersschnitt bei vielen Informationssendungen im Fernsehen bei über 60 Jahren liegt und immer weniger Menschen Zeitungen lesen, egal ob links oder rechts. Reicht dieses Wissen, um viermal pro Jahr an der Urne abzustimmen? Mir ist jedoch bewusst, dass gerade junge Menschen ihre Informationen auch anderswo finden.

Viele Junge informieren sich überwiegend auf Social Media. Ist das ein Problem?

Kritisch wird es, wenn man sich nur noch über zufällige Beiträge in der Timeline informiert. Als Bürger sollte man mit Meinungen von links bis rechts in Berührung kommen. Deshalb ist es wichtig, dass die traditionellen Medien mit ihren Inhalten ebenfalls in den sozialen Netzwerken präsent sind. Und dass sie ihre Qualitätsstandards hochhalten – etwa das Einholen zweier unabhängiger Quellen.

Wie verändert sich unsere Debattenkultur durch die neue Art des Medienkonsums?

Die Gefahr ist, dass man sich nur noch in der eigenen Bubble bewegt. Dass man ausschliesslich von Leuten mit der gleichen Meinung umgeben ist. Wenn ich in den sozialen Medien etwas like, dann schlägt mir der Algorithmus automatisch ähnliche Inhalte vor. Ich merke das selber, wenn ich zu viel auf diesen Apps herumscrolle …

… haben Sie als Bundesrat denn überhaupt Zeit für zielloses Scrollen?

(schmunzelt) Irgendwann habe auch ich Feierabend und schaue, was die Politikerkollegen so machen. Ich sehe mir ein paar Videos an – und plötzlich habe ich viel Zeit verschwendet. Ich höre auch gerne Musik, da merke ich, dass mir der Algorithmus mit der Zeit nur noch ähnliche Stücke vorschlägt. Übertragen auf den Informationsbereich, ist das problematisch.

Sind Sie eigentlich auf Tiktok? Sie haben es dort ja zu einer gewissen Bekanntheit gebracht.

Ich bin selber nicht auf Tiktok. Aber mein Team hält mich auf dem Laufenden. Der Influencer Kaufmann hat mich auf Tiktok dazu aufgefordert, die Dönerpreise zu senken. Ich habe ihm per Video erklärt, welchen Einfluss ich als Energieminister auf die Strompreise habe. Ich fand das eine gute Sache: Plötzlich haben mich viele Jugendliche auf der Strasse angesprochen. Manche haben vielleicht zum ersten Mal realisiert, dass es in der Schweiz eine gewählte Regierung gibt.

Im März stimmen wir über die Halbierungsinitiative ab. Sie will die Radio- und TV-Abgabe auf 200 Franken reduzieren und die Unternehmen komplett davon befreien. Wie nehmen Sie die Stimmung in der Bevölkerung wahr?

Durchzogen. In meiner Partei gibt es natürlich viele, die die Initiative unterstützen. Gleichzeitig höre ich auch Stimmen, die sagen: Die SRG hat begriffen, dass sie schlanker werden muss. Daher wäre es für den Bundesrat falsch, jetzt eine Halbierung zu forcieren. Der Einschnitt wäre drastisch: Bei einer Annahme der Initiative hätte die SRG nur noch etwa 630 Millionen Franken zur Verfügung – bei Ablehnung der Initiative sind es rund 1,2 Milliarden.

Der Bundesrat ist gegen die Initiative. Sie haben allerdings ein Glaubwürdigkeitsproblem: Als Parlamentarier sassen Sie selbst im Initiativkomitee.

Als Parlamentarier habe ich die Initiative unterschrieben, weil ich der Meinung bin, dass sich bei der SRG etwas ändern muss. Das passiert jetzt: Als Medienminister habe ich ein Gegenprojekt durchgebracht, das von der SRG wesentliche Einsparungen erfordert. Es braucht eine noch klarere Abgrenzung zwischen dem Angebot der privaten und der öffentlich-rechtlichen Medien. Ich kann Kritik an der SRG nachvollziehen, wenn sie zum Beispiel bei Sportrechten private Anbieter konkurrenziert.

Ich habe den Eindruck, dass Susanne Wille den Sparauftrag sehr ernst nimmt.

Ihr Gegenprojekt sieht eine Senkung der Serafe-Abgabe von 335 auf 300 Franken pro Jahr vor. Reicht das, um die Gegner zu besänftigen?

Diese 35 Franken pro Haushalt sind nicht nichts – die SRG wird sich stark verändern müssen. Rechnet man den Rückgang der Werbeeinnahmen und die Teuerung mit ein, muss die SRG ihre Kosten bis 2029 um 270 Millionen Franken oder rund 17 Prozent reduzieren. Das ist aus Sicht des Bundesrats viel. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass die neue SRG-Direktorin Susanne Wille den Sparauftrag sehr ernst nimmt.

Wo würden Sie denn mit Sparen beginnen, wenn Sie SRG-Chef wären?

Ich bin zum Glück nicht Chef der SRG – das ist jetzt Frau Wille. Das Medienhaus zählt heute über 5700 Vollzeitstellen. Da gibt es auch organisatorische Massnahmen, mit denen man sparen kann, bevor man im Programm abbaut. Susanne Wille hat das erkannt.

Einsparungen im Programm werden aber unvermeidlich sein.

Klar, 270 Millionen Franken kann man nicht einsparen, ohne dass jemand etwas merkt. Für mich steht fest, dass sich die SRG künftig noch stärker auf Information, Bildung und Kultur konzentrieren soll. Bei Unterhaltungs- und Sportformaten kann einiges auch von den privaten Medien produziert werden.

Als SRF die Sendung «Gesichter & Geschichten» strich oder die «Mittags-Tagesschau» kürzte, gab es einen öffentlichen Aufschrei.

Das muss die SRG aushalten. Sie gehört uns allen ein bisschen, deswegen stösst jeder Abbau irgendwo auf Kritik. Das Zeitbudget der Medienkonsumenten ist endlich. Von jeder SRG-Sendung, die abgebaut wird, können die privaten Medien potenziell profitieren.

Ist eine Sendung wie «Gesichter & Geschichten» für Sie medialer Service public?

Die SRG hat entschieden, das Format abzusetzen. Hier hat die SRG im Sinne des Bundesrats gehandelt, indem sie im Unterhaltungsbereich abgebaut hat.

Heute ist die SRG nicht mehr das «Lagerfeuer» des Landes, die Menschen informieren sich auf ganz unterschiedlichen Kanälen. Kann es überhaupt noch einen Service public geben, der die Nation zusammenhält?

Dass die SRG das nationale «Lagerfeuer» sein soll, ist für mich überhöht. Aber ihr Angebot in vier Sprachen und vier Kulturen ist zweifelsohne wichtig für das Land. Auch die Initianten fordern keine Abschaffung. Sie wollen aber deutlich weiter gehen als der Bundesrat.

Wenn die SRG kein «Lagerfeuer» ist: Welche Rolle soll sie in der Schweiz spielen?

Die SRG soll sich auf vielfältige Informationen konzentrieren. Diese müssen ausgewogen sein und dabei alle Parteien gleichbehandeln. Das ist entscheidend für die öffentliche Diskussion – das hat eine Zukunft. Aber auch die SRG muss sich digital transformieren, um bestehen zu können. Sie muss mit ihren Sendungen im Internet präsent sein.

Die SRG unterhält bereits heute ein digitales Komplettangebot, obwohl sie ausschliesslich einen Auftrag für Radio und TV hat. Damit konkurrenziert sie die privaten Medien direkt.

Die SRG hat unlängst eine Absichtserklärung mit den privaten Verlagen unterzeichnet. Sie ist bereit, sich im Onlinebereich stärker zu beschränken, indem sie zum Beispiel keine Texte über 2400 Zeichen veröffentlicht.

Reicht denn eine solche Absichtserklärung?

Immerhin ist die SRG zum ersten Mal überhaupt zu einem solchen Schritt bereit. Das gilt es anzuerkennen.

Führen Sie das auf die neue SRG-Generaldirektorin Susanne Wille zurück?

Ja, ich spüre in der neuen Direktion eine konstruktive Dialogbereitschaft. Aber auch die Halbierungsinitiative hat Druck aufgesetzt.

TX-Verleger Pietro Supino, der auch diese Publikation herausgibt, fordert, dass die SRG digital lediglich eine Mediathek mit ihren audiovisuellen Formaten unterhalten soll. Wäre das ein Ansatz?

Im Rahmen der neuen Konzession werden wir sicher über eine geringere Zeichenzahl pro Artikel diskutieren. Ein kurzes Intro zu den Sendungen ist aus meiner Sicht in Ordnung, eine lange interaktive Recherche nicht. Das können auch die Privaten bieten.

Die Schweizer Medien stecken in einer Finanzierungskrise. Braucht es eine neue Form der Medienförderung?

Heute kennen wir eine Zustellvergünstigung für Printzeitungen. Natürlich muss man sich Gedanken machen, wie es weitergehen soll, wenn der Anteil gedruckter Zeitungen weiter sinkt. Falls das Geld an Onlinemedien ginge – woran würde man dann die Förderung bemessen: Am Umsatz der Medientitel? An der Zahl der Journalistinnen und Journalisten? Es stellen sich auch schwierige Fragen zum Verhältnis von Medien und Staat, wenn Redaktionen finanziell unterstützt werden.

Die Verleger hoffen auf das sogenannte Leistungsschutzrecht. Google, Facebook und Co. sollen dafür bezahlen, wenn sie Ausschnitte aus Artikeln anzeigen. Wird das die Medien retten?

Bestimmt nicht. Trotzdem ist es wichtig, grosse Plattformen bezahlen zu lassen, wenn sie journalistische Leistungen einfach absaugen und davon profitieren.

Ein Verbot macht doch die Nutzung sozialer Medien nur noch spannender.

Der Bundesrat will die grossen Tech-Plattformen stärker regulieren. Gegen Hass im Netz sollen die Betreiber ein Meldeverfahren etablieren. Das klingt mehr nach Bürokratie als nach effektivem Schutz der Nutzerschaft.

Das sehe ich anders. Der Bundesrat will die Nutzer der sozialen Medien stärken – und hat auch für mich als liberal Denkenden einen guten Weg gefunden, dies umzusetzen. Konkret sollen die Betreiber gesetzlich verpflichtet werden, ein Melde- und Beschwerdeverfahren einzurichten. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen bei Google, Facebook, Youtube oder X beanstanden können, wenn ihre Profile grundlos gelöscht werden. Wichtig ist, dass die Vorlage keinerlei Zensur beinhaltet. Gegenüber der Regulierung der EU ist sie sehr moderat gehalten.

Die SP wirft Ihnen vor, Sie kuschten vor Elon Musk und den anderen Tech-Bossen. Der Unternehmer Guido Fluri plant gar eine Initiative, damit die Schweiz im Kampf gegen Fake News mehr macht.

Ich habe keine Aktien bei Elon Musk und besitze keinen Tesla. (lacht) Für mich gilt in der Politik: so viel Regulierung wie nötig, so wenig wie möglich. Diesen Grundsatz haben wir hier beherzigt. Linke Kreise finden, wir machen zu wenig, für einige Bürgerliche machen wir zu viel. Dann sind wir vielleicht auf Kurs. Wenn Herr Fluri als Bürger eine Initiative dazu lancieren will, hat er das Recht dazu.

Es geht auch um den Jugendschutz. Im Parlament gibt es die Forderung, unter 16-Jährige mit einem Social-Media-Verbot zu schützen. Wie stehen Sie dazu?

Ich bin gegen ein Verbot. Wir müssen Jugendlichen zeigen, wie sie verantwortungsvoll mit sozialen Medien umgehen können. Dazu muss auch die Medienkompetenz in den Schulen gefördert werden. Die SBB betreiben zum Beispiel einen Bildungszug für Schulen, in dem Schülerinnen und Schüler erkennen, was echt ist oder nicht. Ein Verbot macht doch die Nutzung sozialer Medien nur noch spannender.