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RedeVeröffentlicht am 12. Juni 2025

«Unser Transportsystem funktioniert nur dank den vielen motivierten Angestellten, welche den öV mit ihrer täglichen Arbeit am Laufen halten»

Bern, 12.06.2025 — Rede von Bundesrat Albert Rösti am SEV-Kongress zu laufenden politischen Dossiers unter besonderer Berücksichtigung der Personalverbände

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Präsident

Sehr geehrte Vorstandsmitglieder

Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der in- und ausländischen Gewerkschaften

Sehr geehrte Damen und Herren National- und Ständeräte

Geschätzte Anwesende

Die Schweiz hat ein hervorragendes öV-System. Es ist pünktlich und im Takt. Auch für Reisen mit mehreren Unternehmen genügt ein Billett. Unser System ist sehr sicher, die Fahrzeuge sind grösstenteils modern und sauber und die Infrastruktur ist in einem guten Zustand. Im Güterverkehr schützen wir mit der Verlagerungspolitik Bevölkerung und Natur und setzen auf energieeffiziente Transporte.

Im Ausland werden wir immer wieder als öV-Vorzeigeland genannt. Darauf bin ich als Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation sehr stolz, das macht mich aber auch als Bürger dieses Landes stolz. Wir brauchen den Vergleich keinesfalls zu scheuen.

Einen sehr wichtigen Beitrag zu diesem Vorzeigemodell leisten die Angestellten der öV- und der Schienengüterverkehrs-Unternehmen. Sie sind täglich im Einsatz, leisten oft Schichtbetrieb und funktionieren gegenüber den Kunden als Visitenkarte der Unternehmen.

Sie vom SEV geben den Angestellten eine Stimme und kämpfen dafür, dass sie gute Arbeitsbedingungen haben. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, und ich danke ihnen für diese Arbeit. Auch der Bundesrat fordert in seinen strategischen Zielen von der SBB, dass sie eine fortschrittliche und sozialverantwortliche Personalpolitik verfolgt, attraktive Anstellungsbedingungen bietet und sich mit geeigneten Massnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf engagiert. Es ist Aufgabe der Sozialpartner, sich im Rahmen der Gesamtarbeitsverträge auf die Einzelheiten zu einigen.

Der SEV engagiert sich zusammen mit weiteren Personalverbänden derzeit auch stark dafür, dass die Sicherheit der öV-Angestellten gegen Übergriffe gewährleistet bleibt und ihnen Respekt entgegen gebracht wird. Ich unterstütze dieses Anliegen voll und ganz. Aggressives Verhalten und gewalttätige Übergriffe haben in unserem öV keinen Platz!

Laufende politische Dossiers

Derzeit sind verschiedene Dossiers in der Behandlung im Bundesrat und im Parlament, welche den öV und den Schienengüterverkehr betreffen – und damit auch den SEV. Ich will mit diesen Dossiers die hohe Qualität des öV sicherstellen, dem Schienengüterverkehr eine Zukunftsperspektive geben und im Verhältnis zu Europa langfristig Rechtssicherheit schaffen. Lassen Sie mich auf einige Dossiers etwas näher eingehen:

Mit der Aktualisierung der bilateralen Verträge mit der EU will der Bundesrat langfristig Rechtssicherheit schaffen im Verhältnis zu unserem wichtigsten Wirtschaftspartner. Zu den Verträgen, die in diesem Rahmen aktualisiert werden, gehört das Landverkehrsabkommen. Wir haben hier die Personalverbände von Beginn weg eng eingebunden: Der SEV und die anderen Organisationen waren bereits bei der Festlegung des Verhandlungsmandats einbezogen und wurden über Zwischenstände und das Verhandlungsergebnis direkt informiert. Demnächst wird der Bundesrat die Vernehmlassung zum gesamten neuen Vertragspaket starten, womit Sie sich auch nochmals äussern können.

Kontrollierte Öffnung des internationalen Bahnverkehrs

Ein zentrales Verhandlungsergebnis im Landverkehr ist, dass die Öffnung des internationalen Bahnverkehrs unter klar definierten Rahmenbedingungen stattfindet, welche unser öV-Modell voll und ganz respektieren:

  • Im Rahmen der Verhandlungen wurde sichergestellt, dass ausländische Bahnunternehmen für ihre Tätigkeiten auf den Streckenabschnitten in der Schweiz die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz einhalten müssen. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) erarbeitet eine Weisung, mit welcher die Einhaltung der schweizerischen Sozialstandards auf den Schweizer Streckenabschnitten des nicht bestellten, internationalen Schienenpersonenverkehrs sichergestellt wird. Dabei sind die Gewerkschaften und Personalverbände des öffentlichen Verkehrs eng einbezogen. Die Weisung soll dem BAV bei der Prüfung von Konzessions- und Bewilligungsgesuchen dienen (u.a. Einhalten des Arbeitszeitgesetzes, Gewähren branchenüblicher Löhne sowie Sozial- und Versicherungsleistungen).
  • Weiter hat die Schweiz den Vorrang des schweizerischen Taktfahrplans abgesichert: Ausländische EU-Bahnunternehmen können internationale Verbindungen in die Schweiz nur dann anbieten, wenn für den Schweizer Streckenteil Kapazitäten ausserhalb der gesicherten Trassen für den nationalen Taktverkehr der Personenzüge (Taktfahrplan) und für den Güterverkehr zur Verfügung stehen.
  • Die Trassenvergabe bleibt in Schweizer Hand und die Kooperationen im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr (z.B. SBB mit DB, SNCF oder Trenitalia) sind weiterhin uneingeschränkt möglich.
  • Ausländische EU-Bahnunternehmen, die als Nebenzweck einer internationalen Verbindung auch Transporte auf Schweizer Streckenabschnitten durchführen (Kabotage), können zur Integration ins schweizerische Tarifsystem verpflichtet werden (d.h. unter anderem Anerkennung von GA und Halbtax).

Zur Öffnung des internationalen Personenverkehrs hat sich unser Land gegenüber der EU eigentlich schon mit dem Abschluss des Landverkehrsabkommens vor über 20 Jahren bekannt. Mit den nun ausgehandelten Rahmenbedingungen für eine kontrollierte Öffnung haben wir die Anliegen der Personalverbände vollständig aufgenommen. Ein wichtiger Punkt ist zudem, dass wir im aktualisierten Abkommen die 40-Tonnen-Limite für Lastwagen für die Zukunft absichern können. Es werden also auch weiterhin keine Gigaliner durch die Schweiz fahren (sofern sie denn in der EU überhaupt jemals bewilligt werden). Auch das Sonntags- und Nachtfahrverbot für Lastwagen wurde noch einmal bestätigt und die Ziele der Alpenschutzinitiative konnten erstmals festgeschrieben werden!

Unterstützung des Einzelwagenladungsverkehrs

Wichtig für Sie und Ihre Mitglieder ist auch die Revision des Gütertransportgesetzes. Mit der befristeten Förderung des Einzelwagenladungsverkehrs und der digitalen automatischen Kupplung geben wir diesem – und auch dem Unternehmen SBB Cargo – eine Zukunftsperspektive. Die erneuerten Rahmenbedingungen ermöglichen eine Modernisierung des Einzelwagenladungsverkehrs, damit dieser eigenwirtschaftlich und konkurrenzfähig zur Strasse wird. Wir glauben an die Zukunft des Schienengüterverkehrs, aber alle Akteure müssen einen Beitrag leisten! Jetzt fehlen noch die definitiven Versionen der Verordnungen und die Leistungsvereinbarung für die Anbieter des Einzelwagenladungsverkehrs. Wir haben hier einen sehr ambitiösen Zeitplan, um die Vorlage auf Anfang 2026 in Kraft zu setzen, damit diese rechtzeitig zu wirken beginnt.

Weiterentwicklung des öV-Systems

Weiter haben wir verschiedene politische Geschäfte in Arbeit, bei denen es darum geht, das System des öV und des Güterverkehrs an technische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklungen anzupassen:

  • Im Rahmen des Entlastungsprogramms 27 des Bundesrats geht es darum, dass alle Aufgabengebiete einen Beitrag dazu leisten,den Bundeshaushalt langfristig auf eine gesunde, solide Basis zu stellen. Im öV sind die Kürzungen am spürbarsten im Regionalen Personenverkehr. Hier erwartet der Bundesrat eine Erhöhung des Kostendeckungsgrads. Das soll nicht auf Kosten der Angestellten geschehen: Die Transportunternehmen und Besteller sind aufgefordert, ihre Projekte nach Effizienz und Notwendigkeit zu priorisieren und dank steigendem Passagieraufkommen höhere Verkehrseinnahmen zu erzielen.
  • Die Finanzen sind auch ein Thema beim Projekt Verkehr ’45, welches ich im Januar gestartet habe. Die massiven Mehrkosten beim Bahnausbau haben uns zusammen mit dem Nein der Stimmbevölkerung zum Autobahnausbau vom letzten Herbst vor Augen geführt, dass es beim Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen eine Standortbestimmung braucht. Professor Ulrich Weidmann von der ETH Zürich ist inzwischen mit meinen Fachämtern intensiv am Arbeiten. Es geht hier in keiner Art und Weise darum, den öV zusammenzustreichen, sondern vielmehr, sicherzustellen, dass die prioritären und nützlichsten Projekte als erste verwirklicht werden. Den Resultaten kann und will ich nicht vorgreifen. Professor Weidmann wird seine Ergebnisse im Herbst vorstellen.
  • Mit der vorgesehenen Weiterentwicklung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA tragen wir der Tatsache Rechnung, dass sich auf der Strasse auch der Schwerverkehr zunehmend elektrifiziert. Mit einem Fahrplan für die Unterstellung von E-Lastwagen unter die LSVA und einem Rabattsystem schaffen wir Planungs- und Investitionssicherheit. Zugleich stellen wir sicher, dass aus der LSVA auch in Zukunft ausreichend Mittel für den Bahninfrastrukturfonds zur Verfügung stehen.
  • Mit der Botschaft zur Mobilitätsdateninfrastruktur MODI gehen wir darauf ein, dass Daten im Verkehrssystem eine immer wichtigere Rolle spielen – und dass ein erleichterter Austausch von Verkehrsdaten den Verkehr in verschiedenen Bereichen noch flüssiger, effizienter und komfortabler machen kann.

Fazit

Sie sind an diesen Anpassungen und nötigen Modernisierungsschritten beteiligt. Unser Transportsystem funktioniert nur dank den vielen motivierten Angestellten, welche den öV mit ihrer täglichen Arbeit am Laufen halten – sieben Tage in der Woche und teilweise rund um die Uhr.

Der Bund will dem Berufsstand Sorge tragen und ihn in seiner Entwicklung unterstützen. Vielen Dank dafür, dass Sie dem Personal eine Stimme geben. Vielen Dank für alles, was Sie jeden Tag leisten!