«Die Luftfahrt vernetzt die Schweiz international»

Bundesrat Albert Rösti erläutert im Interview mit SkyNews, wie wichtig die Luftfahrt für ihn ist.

SkyNews (Magazin der Schweizer Luftfahrt), April 2024

Fragen von Hansjörg Bürgi


Vom Autobahnausbau über die Energieversorgung, die Post und bis zum Wolf – das UVEK umfasst enorm viele Bereiche. Welches Thema bereitet Ihnen aktuell am meisten Kopfschmerzen?

Die Sicherung der Energieversorgung steht zuoberst auf meiner Agenda. Die Schweiz muss die fossilen Energien schrittweise reduzieren. Deshalb brauchen wir als Ersatz rasch mehr Strom, und zwar aus erneuerbaren Energien, produziert also mit Wasser, Sonne, Wind und Biomasse. Das Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien unterstützt dieses Ziel. Wir stimmen im Juni darüber ab, und ich engagiere mich überzeugt für diese Vorlage.

Dann sind Sie auch Luftfahrtminister. Dieser Bereich interessiert unsere Leserschaft natürlich am meisten. Wie wichtig ist der Luftfahrtstandort Schweiz mit den Landesflughäfen, den regionalen Flugplätzen, aber auch der heimischen Luftfahrtindustrie für Sie?

Dank der Luftfahrt ist die Schweiz international vernetzt. Dies ist für die Wirtschaft, unsere Versorgungssicherheit und den Tourismus sehr wichtig. Mehr als ein Drittel der Exporte verlässt wertmässig gesehen das Land über die Luft. An der Luftfahrt hängen natürlich auch Arbeitsplätze, und es entstehen neue Jobs, zum Beispiel im Umfeld der Drohnentechnologie oder in innovativen Unternehmen, die alternative Treibstoffe entwickeln.

Relevante Entscheide für die Landesflughäfen Zürich und Genf und teilweise auch Basel werden in den jeweiligen Kantonen getroffen. Müsste nicht der Bund mehr Einfluss nehmen, da es sich um übergeordnete Infrastrukturen handelt, denn Luftfahrt ist gemäss Bundesverfassung Bundessache?

Die Entwicklung der Landesflughäfen ist in der Schweiz stark vom Föderalismus geprägt. Die Standortkantone wollen und sollen eine gewichtige Stimme haben. Der Bund macht jedoch mit dem Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) klare Vorgaben für die Flughäfen. Diese Vorgaben sind auch für die Behörden verbindlich und haben sich bewährt.

Ein immer grösser werdendes Problem sind die langen Umsetzungszeiten von Volksentscheiden zu Infrastrukturen von nationaler Bedeutung. Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker-Späh erwähnte an der Feier zum 75. Geburtstag des Flughafens Zürich die fünfte Landessprache, nämlich die Einsprache. Sehen Sie da eine Verbesserung in Zukunft?
Das aktuellste Beispiel sind die Pistenverlängerungen in Zürich. 2012 führte der Bund eine Sicherheitsüberprüfung durch und forderte Massnahmen. Es dauerte zehn Jahre, bis das Projekt stand und falls die Abstimmung positiv ausfällt, dauert es nochmals über zehn Jahre, bis die verlängerten Pisten in Betrieb sind. Was sagen Sie dazu?

Tatsächlich brauchen manche Verkehrsprojekte ihre Zeit, bis sie realisiert sind. Das strapaziert mitunter auch meine Geduld. In der Schweiz hat die Bevölkerung aber ein Recht auf Mitwirkung, und es gibt Vorgaben aus der Raumplanung und dem Umweltrecht, die zu respektieren sind. Wir sind ein Rechtsstaat, und es ist unerlässlich, dass wir die Bevölkerung bei solchen Projekten mitnehmen. Denn ohne den Rückhalt der Menschen vor Ort geht es nicht.

Die Luftfahrt wird oft als Klimasünder Nummer 1 dargestellt, ist das auch in Ihren Augen so?

Einen einzelnen Sektor an den Pranger zu stellen, bringt uns nicht weiter. Alle Bereiche, die Emissionen verursachen, stehen bei der Reduktion gleichermassen in der Verantwortung. Daher freut es mich, dass die Flug-Branche von sich aus grosse Anstrengungen unternimmt, um ihre CO2-Emissionen zu senken – mit dem Ziel, diese bis 2050 auf netto Null zu bringen. Mit dem revidierten CO2-Gesetz geht der Bundesrat in die gleiche Richtung. Nachhaltigen Treibstoffen, sogenannten Sustainable Fuels (SAF), wird dabei ein grosses Potenzial zugeschrieben.

Was wird das neue CO2-Gesetz bewirken, wann ist die Umsetzung zu erwarten?

Dieses Gesetz zielt darauf ab, die Emissionen beim Verkehr und beim Heizen zu reduzieren. Bei der Luftfahrt setzt es vor allem auf die erwähnten SAF, die dem Kerosin beigemischt werden sollen. Auch der Emissionshandel mit der EU ist ein Anreiz für das Senken der Emissionen. In Kraft treten soll das Gesetz auf Anfang 2025.

Wie kann der Bund nachhaltige Treibstoffe fördern, damit die Luftfahrt das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen kann?

Zum einen streben wir Quoten an, die regeln, wie viel nachhaltige Treibstoffe dem Kerosin beizumischen sind. Dies erfolgt in Übereinstimmung mit den europäischen Bestimmungen, damit Schweizer Airlines nicht benachteiligt werden. Zum anderen sehen wir Fördermittel vor, die eine rasche Entwicklung dieser Technologien unterstützen werden.

Als EASA-Mitglied übernimmt die Schweiz seit 2006 EU-Gesetze für die Luftfahrt. Wie stehen Sie zu Bestrebungen für nationale Sonderregelungen, zum Beispiel im Bereich Helikopteroperation?

Die Luftfahrt ist auf Branchenstandards und eine international harmonisierte Regulierung angewiesen. Das bilaterale Luftverkehrsabkommen garantiert den Schweizer Unternehmen den Zugang zum europäischen Markt. Die europäische Regulierung wird nicht einfach automatisch übernommen, denn bereits bei der Ausarbeitung wirken Schweizer Expertinnen und Experten aktiv mit. Sie bringen nationale Bedürfnisse schon frühzeitig ein, damit keine nationalen Sonderregeln notwendig sind. Auch der Industrie steht die Möglichkeit offen, sich bei den Konsultationen bei der EASA einzubringen.

Die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung steigen laufend, die Bevölkerungsanzahl auch, doch kaum jemand ist bereit, auch mehr Verkehr zu akzeptieren, wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?

Es geht darum, das Bedürfnis der Bevölkerung nach mehr Mobilität mit den Anliegen des Lärm- und Naturschutzes in Einklang zu bringen. Dieser klassische Zielkonflikt fordert uns alle heraus. Aber die Schweiz ist gut darin, Kompromisse zu finden. Das ist auch rund um die Luftfahrt nicht anders, und das stimmt mich zuversichtlich für die Zukunft.

Ihre Frau ist langjährige Flight Attendant. Sprechen Sie zuhause auch etwa über die Alltagsprobleme in der heutigen Airline-Welt mit den vielen Verspätungen, Triebwerks- und Personalproblemen?

Die Menschen werden mobiler, und auch die Luftfahrt ist vor den genannten Herausforderungen nicht gefeit. Das sind durchaus Themen, über die wir uns gelegentlich austauschen.

Gibt es ein unvergessliches Flugerlebnis für Sie?

Es ist immer wieder von neuem eindrücklich, die Welt von oben zu entdecken – so geschehen letzten Dezember auf dem Flug an die Weltklimakonferenz, als ich nach hunderten Kilometern Wüste plötzlich Dubai erblickte, eine aus dem Boden spriessende Weltstadt.

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