Programmrechtskonforme Publikationen von SRF und RTS
Bern, 02.02.2023 - Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat Beschwerden gegen zwei Fernsehbeiträge und einen Online-Artikel von SRF abgewiesen. Ebenfalls abgewiesen hat sie eine Beschwerde gegen einen Fernsehbeitrag von RTS. In den beanstandeten Publikationen geht es um einen Landstreit im Westjordanland, um die Ergebnisse einer Meinungsumfrage zur AHV-Reform sowie um einen Dissidenten in Belarus.
Im Rahmen der heutigen öffentlichen Beratungen in Bern befassten sich die acht anwesenden Mitglieder der UBI mit mehreren Beschwerden, die sich gegen Publikationen von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sowie Radio Télévision Suisse (RTS) richteten.
Fernsehen SRF strahlte im Nachrichtenmagazin «10 vor 10» vom 14. Juli 2022 den Beitrag «1000 Palästinenser vor Zwangsenteignung» aus. Darin werden die Auswirkungen des Urteils des obersten Gerichtshofs Israels vom 4. Mai 2022 über einen 23-jährigen Rechtsstreit um ein Land in Masafer Yatta im Westjordanland auf die ansässige Bevölkerung thematisiert. Der Gerichtshof befand, dass es auf einem von palästinensischen Bauernfamilien bewohnten Gebiet keine dauerhafte Besiedlung durch diese gegeben hatte, als die israelische Armee dieses als militärisches Übungsgelände übernahm. In der gegen den Fernsehbeitrag erhobenen Popularbeschwerde wurde gerügt, dieser sei manipulativ, enthalte zahlreiche Auslassungen sowie Unwahrheiten, und operiere mit emotional aufwühlenden Bildern. Statt die Fakten des Urteils wiederzugeben, nehme die Reporterin die Rolle der Anwältin der angeblich entrechteten palästinensischen Bevölkerung ein. In der Beratung wurde auf den besonderen Blickwinkel des Beitrags – die Situation und die möglichen Folgen des Urteils auf die palästinensische Bevölkerung – hingewiesen, welcher grundsätzlich zulässig ist und für das Publikation erkennbar war. Rundfunkrechtlich relevant war zudem, dass neben einem betroffenen Bauern, dem Vorsteher des Gemeinderats und einer Menschenrechtsanwältin, die vor der Kamera ihren Standpunkt vertraten, die Redaktion auch aus der schriftlichen Stellungnahme der israelischen Armee zitiert hat. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Parteien wurden damit erkennbar. Der Beitrag hat insgesamt die Mindestanforderungen an die Sachgerechtigkeit eingehalten. Die Beschwerde wurde mit sechs zu zwei Stimmen abgewiesen. Die Mitglieder der UBI wiesen im Übrigen darauf hin, dass der generelle Vorwurf des Beschwerdeführers, wonach SRF seit langem eine anti-israelische Haltung einnehme und unausgewogen über den israelisch-palästinensischen Konflikt berichte, nur im Rahmen des Vielfaltsgebots geprüft werden kann, was eine Beschwerde gegen mehrere Sendungen in einem bestimmten Zeitraum (Zeitraumbeschwerde) voraussetzt (b. 933).
Am 25. September 2022 fand die Volksabstimmung über die Reform zur Stabilisierung der AHV statt. Diese setzte sich aus zwei Vorlagen zusammen, die miteinander verknüpft waren, nämlich die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV 21). Im Rahmen der Nachrichtensendung «Tagesschau» vom 19. August 2022 strahlte Fernsehen SRF einen Beitrag über die Ergebnisse der ersten Meinungsumfrage zu diesen Vorlagen aus, welche das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) durchgeführt hatte. Über die Ergebnisse dieser Meinungsumfrage informierte ebenfalls SRF News in einem Online-Artikel vom 20. August 2022 mit dem Titel «AHV-Reform: Mehrheit sagt Ja zu Frauenrentenalter 65». In einer Popularbeschwerde wird geltend gemacht, in beiden Publikationen sei nicht auf die grossen Unterschiede bei der Meinungsumfrage zur AHV 21 zwischen der deutschsprachigen Schweiz auf der einen Seite sowie der französischsprachigen und der italienischsprachigen Schweiz auf der anderen Seite hingewiesen worden, was zwingend notwendig gewesen wäre. In den Beratungen kam zum Ausdruck, dass eine entsprechende Ergänzung zwar zu einer umfassenderen Berichterstattung beigetragen hätte. Bestimmungen des einschlägigen Rundfunkrechts sind aber aufgrund der fehlenden Erwähnung nicht verletzt worden. Die vermittelten Ergebnisse haben den Tatsachen entsprochen, die Beiträge sind unparteilich gewesen und über die Rahmenbedingungen der Meinungsumfrage (z.B. Methode, Fehlerquote) ist transparent informiert worden. Die UBI hat die Beschwerden gegen beide Publikationen mit jeweils sechs zu zwei Stimmen abgewiesen (b. 932).
Am 5. Juni 2021 strahlte Fernsehen RTS in der Nachrichtensendung «Le 12h45» einen Beitrag über den belarussischen Journalisten Roman Protassewitsch aus. Ein ziviles Flugzeug, in welchem sich der im Exil lebende Dissident befand, wurde vom Militär zur Landung in Minsk gezwungen und Roman Protassewitsch festgenommen. Im Beitrag wird er bei einem erzwungenen Geständnis seiner angeblichen Verbrechen gezeigt. In einer Popularbeschwerde wird moniert, die Fakten und namentlich das unter Druck zu Stande gekommene Geständnis gingen aus dem Beitrag nicht bzw. ungenügend hervor. Die Mitglieder der UBI kamen jedoch zu einem anderen Schluss und befanden, dass sich das Publikum zu den vermittelten Informationen eine eigene Meinung im Sinne des Sachgerechtigkeitsgebots hat bilden können. Auch die rundfunkrechtlich gebotene Menschenwürde wurde durch das Ausstrahlen von Szenen aus dem erzwungenen Geständnis nicht verletzt, da es sich um ein Zeitdokument handelt. Die UBI hat die Beschwerde einstimmig abgewiesen (b. 931).
Die UBI ist eine ausserparlamentarische Kommission des Bundes, die von der Rechtsanwältin und Kommunikationsberaterin Mascha Santschi Kallay präsidiert wird. Sie besteht aus neun nebenamtlich tätigen Mitgliedern und einem dreiköpfigen Sekretariat. Die UBI hat auf Beschwerde hin festzustellen, ob ausgestrahlte Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Programmveranstalter oder Publikationen aus dem übrigen publizistischen Angebot der SRG (z.B. Online-Inhalte) Bestimmungen des Radio- und Fernsehrechts verletzt haben oder ob eine rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zum Programm bzw. zu einer Publikation vorliegt. Entscheide der UBI können nach Vorliegen der schriftlichen Entscheidbegründung beim Bundesgericht angefochten werden.
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